Hadrian's Wall Path


Ein Königsthron hier, dies gekrönte Eiland,
dies Land der Majestät, der Sitz des Mars,
dies zweite Eden, halbe Paradies,
dies Bollwerk, das Natur für sich erbaut,
der Ansteckung und Hand des Krieges zu trotzen,
dies Volk des Segens, diese kleine Welt,
dies Kleinod, in die Silbersee gefaßt,
die ihr den Dienst von einer Mauer leistet,
von einem Graben, der das Haus verteidigt
vor weniger beglückter Länder Neid,
der segensvolle Fleck, dies Reich, dies England.
William Shakespeare

Ein besonderes Erlebnis in England war die Wanderung des Hadrian's Wall Path.
Im Folgenden schildere ich unsere Eindrücke und alle Etappen. Wir können die Wanderung nun wärmstens empfehlen. Sie eignet sich für Wanderlustige aller sportlichen Kategorien - da es viele Unterkunftmöglichkeiten auf der Strecke gibt, ist man absolut nicht an bestimmte Etappen gebunden. Jeder kann sich seine Tour so zusammen stellen, wie es seine Kondition zulässt.
Für alle, die völlig unbeschwert die Landschaft und alle Eindrücke geniessen möchten, gibt es zudem eine Reihe von "Gepäckshuttle"-Anbietern, so dass man sein Gepäck jeden Tag von Unterkunft zu Unterkunft bringen lassen kann. Das Besondere: selbst diese Entscheidung muss keinesfalls vorab schon fallen - Sie können sich jederzeit spontan für einen solchen Shuttle entscheiden. Ein Anruf am Vortag reicht dafür vollkommen aus.

Wie sah die Planung und Umsetzung bei uns aus? Wir haben über den Anbieter Mickledore Travels die Wanderung direkt von zu Hause aus gebucht, damit wir uns selbst nicht um die Unterkünfte zu kümmern brauchten. Die Abwicklung war klasse und unkompliziert - wir gaben an, welche Etappen wir gerne laufen würden und der Anbieter organisierte alle Bed-and-Breakfast auf der Strecke inclusive Lunchpack jeweils für den folgenden Tag.
Wir erhielten außerdem prima Unterlagen (einen ausführlichen Wanderführer, eine sehr detaillierte wasserdichte Karte und Unterlagen zu allen Unterkünften sowie z.B. Eßgelegenheiten für abends etc.); man sieht, rundum versorgt...
Für die Anreise buchten wir einen Flug nach Manchester und fuhren von dort weiter mit dem Zug nach Newcastle. Rückreise war wiederum mit dem Zug von Carlisle nach Manchester und Flug zurück nach Deutschland.
Wir hatten unsere vollständige Wanderausrüstung dabei und beauftragten (bis auf einen Tag) keinen Gepäckshuttle, sondern nahmen das Gepäck per Rucksack mit.

Unsere Wanderung teilte sich in
vorab: Flug nach Manchester und Übernachtung dort; Zugfahrt nach Newcastle, Metro nach Tynemouth, Übernachtung dort; Metro nach Wallsend
1. Etappe: Wallsend - Newburn
2. Etappe: Newburn - Corbridge
3. Etappe: Corbridge - Humshaugh
4. Etappe: Humshaugh - Twice Brewed
5. Etappe: Twice Brewed - Lanercost
6. Etappe: Lanercost - Carlisle
7. Etappe: Carlisle - Bowness-on-Solway
nach der 6.Etappe ein Aufenthaltstag in Carlisle;
abschliessend: Rückfahrt Bus von Bowness bis Carlisle, Zug nach Manchester und Flug zurück nach Deutschland
Der Hadrian's Wall Path umfasst eine Wanderlänge von 135 km (gerechnet reine Wanderstrecke ohne abzweigende Besichtigungen, Wege zu Unterkünften u.ä.)

Start in Manchester


unser erster Tee in England

Unsere erste Unterkunft befindet sich nun also in Manchester. Wir landen am späten Nachmittag und laufen vom Flughafen bis zum Hotel und erleben dort unsere ersten netten Eindrücke. Der Eingangsbereich ist ausgestattet mit Kamin und roten schweren Ledersesseln. Es mutet nicht an wie ein Eingangsbereich, sondern eher wie ein Wohnzimmer.
Die Dame, die uns begrüsst, ist sehr freundlich, völlig entgeistert über unsere Aktion, vom Flughafen aus zu laufen und führt uns nach den Formalitäten zu unserem Zimmer. Dort begrüsst uns - was uns die komplette Tour eine liebe Eigenart bleiben wird - ein Tablett mit Tassen, Tee und leckeren Keksen.
Wir stellen am Ende unserer Wanderung fest, dass es doch tatsächlich nicht ein einziges Mal während der ganzen Wanderung die gleichen Kekse gab...
Ein kleines Zimmer mit Bad lässt uns die erste Nacht in Erwartung der eigentlichen Wanderung schlafen.
Am nächsten Morgen erwartet uns ein ausgiebiges Frühstück in einem kleinen Pavillon - Toast kann sich jeder selbst toasten in einem Toaster, den es normalerweise auf jeden Fall nur noch im Museum zu finden gäbe; ausgestattet mit Timer und diversen Funktionen für jede Variante Toast... Frisch gestärkt und gut gelaunt machen wir uns auf den Weg. Ein Bahnhof, von dem wir zum Hauptbahnhof gelangen können, ist nur 5 Minuten entfernt.

Eingangsbereich Hotel Bett Toaster

Tynemouth


Burg in Tynemouth Am Hauptbahnhof von Manchester gehen wir zunächst ein Stück in die Stadt und kaufen für den Tag ein paar Dinge zu essen und trinken.
Mit dem Zug fahren wir von Manchester nach Newcastle, können dabei bequem viel von der Landschaft sehen und in Newcastle geht es weiter mit der Metro nach Tynemouth.
Tynemouth erreichen wir schon am frühen Nachmittag und können daher noch eine kleine Besichtigungstour starten.

Direkt am Meer gelegen ragt imposant die Ruine der Burg von Tynemouth empor.
Links daneben gibt es einen wunderschönen Sandstrand - die Temperaturen lassen derzeit ein Baden nicht zu, aber es gibt zwei Gruppen, die am Strand sportlich aktiv sind.
Wir laufen rechts um das Schloss, stossen auf einen schön bewachsenen Hang sowie imposante Felskonstellationen - diese erinnern ein wenig an ägyptische Figuren, wie auf dem Bild unten zu sehen ist.
Während wir fotografieren, wird eine Dame auf uns aufmerksam und wir kommen ins Gespräch - sie ist eine ehemalige Geschichtslehrerin und ebenso neugierig wie erzählfreudig; nach unserer netten Unterhaltung wissen wir alles sowohl über Tynemouth als auch über unsere bevorstehende Wanderung...
Über einen langen Steg kann man zu einem Leuchtturm hinauslaufen; obwohl wir noch unser gesamtes Gepäck dabei haben, nehmen wir den Weg auf und können so einen schönen Blick vom Leuchtturm aus auf die ganze Küste werfen.

Tynemouth Bild 1 Tynemouth Bild 2 Tynemouth Bild 3 Tynemouth Bild 4 Tynemouth Bild 5
Tynemouth Bild 6 Tynemouth Bild 7 Tynemouth Bild 8 Tynemouth Bild 9 Tynemouth Bild 10

Nach ausgiebiger Rundtour machen wir uns auf zu unserer Unterkunft - ein B & B mitten an der Hauptgeschäftsstraße.
Es erwartet uns ein wunderschönes Zimmer, natürlich wieder Tee und Kekse und sehr nette Gastgeber. Tynemouth Bild 11 Tynemouth Bild 12
Wir nutzen den noch frühen Abend für eine weitere kleine Besichtigungstour Tynemouth und gehen schliesslich in einem indischen Restaurant essen.
Dieser Tag war ein schöner Auftakt - nun kann die Wanderung losgehen!

Von Wallsend nach Newburn


Startpunkt Segedunum

Der Startpunkt gestaltet sich als eher unspektakulär und befindet sich an der Ausgrabungsstätte Segedunum. Wir sparen uns die Besichtigung, auch da wir ja noch keine Ahnung haben, wie lange wir wohl für die Etappen brauchen werden...
Wir gehen um die Sehenswürdigkeit herum und stossen auf unser erstes Schild für die Wanderung. Die Eichel als Symbol für den Weg wird uns treu begleiten - der Weg ist ausgezeichnet beschildert, so dass wir keine Sorge haben, uns an irgendeiner Stelle zu verlaufen.
Die erste Etappe führt uns im Prinzip komplett durch Newcastle-upon-tyne, immer am Tyne entlang. Diese erste Streckenführung verdient in unseren Augen keine Lorbeeren und wird im Laufe der nächsten Tage zum Glück durch umso schönere Gebiete wieder wett gemacht.
Wenn jemand eine Empfehlung lesen möchte, so diese: die Wanderung immer in dieser Richtung beginnen und nicht anders herum, denn diese Etappe als Abschluss zu haben, wäre sehr schade...
Es geht fast komplett über Pflaster, vorbei an Industriegebiet und Randgebiet der Innenstadt, an einigen Stellen doch recht trostlos. Erst nach vielen Kilometern gelangen wir an den Rand der Stadt, erreichen noch etwas Grüngebiet und über eine kleine erholsame Strecke erreichen wir die Brauerei in Newburn. Auf den Bildern habe ich dennoch einige interessante Aspekte dieser Strecke zusammengestellt.
Eines war allerdings doch eine zumindest für mich echte Kuriosität, die ich an dieser Stelle nicht auslassen kann: mitten in der Stadt musste ich auf Toilette und es ist das erste Mal in meinem Leben gewesen, mit einer sprechenden Toilette konfrontiert zu sein, die nach Geldeinwurf aber auch wirklich jeden Schritt kommentiert:
es öffnet sich nun die Tür für sie - auf der rechten Seite befindet sich die Toilette - Sie haben x Minuten (habe ich vergessen) Zeit, bevor ein Sicherheitssystem greift, wenn Sie zu lange brauchen - auf der rechten Seite der Toilette befindet sich das Waschbecken - bitte waschen Sie sich nach dem Toilettengang die Hände - aktivieren Sie das Waschbecken, indem Sie... - nun öffnet sich wieder die Tür...
Also ich hätte wirklich am liebsten nochmal Geld reingeworfen, nur um den ganzen Text nochmal anzuhören!

Den Abend verbringen wir mit einem leckeren Essen und natürlich dem Probieren verschiedener Sorten Bier der gut besuchten Brauerei...

Tyne mit Brücken Wegstrecke durch Newcastle Big Lamp Brauerei

Von Newburn nach Corbridge


Einkaufen im Regen

Am nächsten Morgen sieht es gleich nach Regen aus. Dieses kann uns nicht verdriessen - wer nach England fährt und nicht auf Regen eingestellt ist, ist vermutlich hoffnungsloser Optimist oder fern jeder Realität.
Wir jedenfalls haben unser Regenzeug dabei und auch direkt im Zugriff, um nicht plötzlich überrascht zu werden.
Es dauert auch nicht lange, da fängt es an zu regnen - also Regenzeug raus und alles wetterfest eingepackt.

Kleiner Tipp übrigens allgemein am Rande: wer sich nicht sicher ist, ob sein Rucksack wohl dicht hält: wir nehmen einfach gleich von vornherein einen großen blauen Müllsack und stopfen dort alle Klamotten rein. Der Müllsack wird oben umgefaltet und die Öffnung ganz nach unten gezogen. Selbst wenn nun mal was schief läuft und doch Regen in den Rucksack gelangt, sind die Sachen darin auf jeden Fall trocken aufgehoben...

Wir stapfen im Regen weiter und durchqueren die ersten hübscheren Gegenden. Nun erwartet uns auch schon die erste Steigung - es geht bergauf nach Heddon-on-the-Wall. Hier befindet sich das erste Mauerstück. Da man nicht sicher ist, was sonst noch so kommt, werden natürlich sofort ausgiebig Photos von dem hier eher kleinen Stück Mauer gemacht - überflüssig, wie sich später herausstellen wird, da noch deutlich mehr von der historischen Mauer auf dem Weg erhalten ist.
Das für uns in diesem Ort viel schönere Erlebnis ist ein wunderschöner kleiner Einkaufsladen. Wir suchen ihn auf, da wir eigentlich nur noch etwas zu Trinken für unterwegs zukaufen wollen, aber halten uns dann doch etwas länger auf, um uns den liebevoll gemachten Laden genauer anzusehen mit seinen vielen kleinen besonderen Spezialitäten, sowohl im Frischbereich (Backwaren, Aufschnitt, Käse) als auch in verpackten Artikeln (Marmeladen, Süsses, Duftartikel...). Da wir natürlich unser Rucksackgewicht hier nicht gleich übermässig erhöhen wollen, beschränken wir uns (leider) weitgehend auf das Schauen und kaufen nur ein paar Kleinigkeiten. Dann geht's weiter.
Wir passieren Felder und kleine Orte und gelangen zum Whittledene Naturreservat mit seinen naturgeschützten Seen.
Hier können wir die Regensachen wieder einpacken, da sich das Wetter inzwischen geändert hat. Wir machen am Great Northern Lake eine Vesperpause und lassen dabei die Sachen trocknen - da ein warmer Wind weht, klappt das sehr gut. Wir werden auf diesem Stück das erste Mal mit dem Passieren von Kuh- und Schafweiden konfrontiert - eine Sache, die ab dem zweiten Tag einfach zur Gewohnheit wird...

Ein Großteil der Wege führt über Weidegebiete - wer sich damit nicht anfreunden kann, sollte die Wanderung besser unterlassen! Die Schafe weichen in aller Regel großflächig vor uns aus, aber Kühe und mitunter auch Jungbullen bzw. Ochsen sind da deutlich dickfälliger und stehen doch hier und da mal mitten auf dem Weg. Man sollte hier auf jeden Fall die Verhaltensregeln kennen! Eine der wichtigsten: Niemals zwischen Kuh und Kalb durchmarschieren; will die Kuh ihr Kalb verteidigen, ist sie garantiert deutlich schneller als du und wohl auch ein klein wenig stärker...
Im Zweifelsfall also lieber mal einen ausreichenden Bogen um die Tiere machen...

Am Nachmittag gelangen wir zu unserem Abzweig nach Corbridge, wo sich unsere nächste Unterkunft befindet. Leider ist es vom Abzweig zu Fuß noch ein ganzes Stück und dieses zudem nicht ausgeschildert, da kein Teil des Wanderweges - aber mit unserer Karte gelangen wir zum Glück dennoch ohne Umwege zum Ziel.
Unser B & B wird von einem sehr netten Paar geführt, das genau zwei Zimmer anbietet. Am Abend gehen wir nebenan in einem Pub lecker essen und schliesslich zufrieden mit dem Tag ins Bett...

Heddon-on-Wall Gate auf Weide Trittstufen auf Weide

Von Corbridge nach Humshaugh


Style

Nach einem nett gemachten Frühstück am nächsten Morgen machen wir uns bei gutem Wetter wieder auf den Weg. Das Frühstück fällt familiär aus zusammen mit einem weiteren Pärchen, das das zweite Zimmer bewohnte und es ist schön, sich einfach mal mit Leuten unterhalten zu können. Unsere Englischkenntnisse sind dafür zum Glück vollkommen ausreichend. Auch das andere Paar meint, dass das Wegstück nach Corbridge am Ende so eines Wandertages etwas zu fiel sei, vor allem, weil es eine komplette Pflasterstrecke ist. Von unseren Gastgebern erfahren wir, dass das Stück vom Wanderweg nach Corbridge über unseren Reiseanbieter eigentlich im Preis inbegriffen mit dem Taxi gefahren werden kann...
Na ja, was solls - wir machen alle lange Gesichter, aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Die nun bekannte Möglichkeit nutzen wir alle vier allerdings gerne, um nun wieder zum Wanderweg zurück zu gelangen.

Die heutige Strecke ist nicht sehr lang und daher recht erholsam. Die Gegend ist heute wunderschön. Wir sehen auch eine Menge Wallreste, die schon einen guten Eindruck der ehemaligen gewaltigen Mauer entstehen lassen. Das Gelände ist hügelig, aber mit grossen Steigungen hat man nicht zu kämpfen. Fast die ganze Strecke verläuft über Weiden und wir passieren heute eine Menge der verschiedenen Varianten von "Gates", um auf eine Wiese zu gelangen oder diese zu verlassen.
Praktisch alle Weiden sind immer mit Mauern und oft zusätzlich Stacheldraht eingefasst - es gibt wirklich nur die Gates, um Ein-/oder Ausgang zu den Weiden zu haben. Es sind zum Teil Schilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass man aus Umweltschutzgründen die sichtbaren Wege möglichst nicht verlassen soll und zum Schutz des historischen Wertes bitte die Mauer nicht betreten oder ähnliches sollte. Diesen letzten Hinweis finden wir auf den Weiden niedlich im Gedanken daran, ob für die Schafe und Ziegen der Hinweis wohl besser in Englisch oder anderer Sprache geschrieben sein sollte, damit auch sie ihn beherzigen...!?

Das Wetter ist sehr angenehm. Es ist trocken, nicht zu warm und es geht ein leichter Wind. Wir geniessen die schöne Natur und die weich fliessende Landschaft.
In Chesters unterbrechen wir unsere Wanderung: hier gibt es den Chesters Walled Garden und da unsere Strecke heute ja sowieso nicht lang ist, beschliessen wir, uns diesen anzusehen. Gartenfans: auf keinen Fall verpassen!
Es handelt sich um eine wunderschöne Gartenanlage - kein "englischer Rasen", sondern üppige Staudenbeete, romantische Arrangements und wunderschön duftende Rosen...
Staudenbeet romantisch gelegene Bank Rose
Die Kassiererin bietet uns an, unsere Rucksäcke während unseres Rundganges durch die Anlage an der Kasse aufzubewahren. Dieses Angebot nehmen wir gerne an und können nun den Garten vollkommen unbeschwert geniessen. Wir freuen uns, dass es nicht regnet und halten uns recht lange im Garten auf, bevor wir zu unserer letzten Etappe für diesen Tag aufbrechen.

Gut gelaunt schwingen wir unsere Rucksäcke wieder auf den Rücken und marschieren weiter. Kurz vor unserem Tagesziel gibt es noch einen wunderschönen Blick auf ein gutes Stück der Mauer; der Gesamteindruck von Mauer und Umgebung haut uns an dieser Stelle um - da das Wetter ein wenig mit Regen droht, herrschen etwas unwirkliche Lichtverhältnisse und lassen daher einen atemberaubenden Eindruck entstehen.
Wir lassen das auf uns wirken und geben dann allerdings ein wenig Gas, da wir nicht auf den letzten Metern noch nass werden möchten. Es bleibt allerdings beim Drohen des Wetters und wir kommen trocken an unserem Ziel, einem in den Feldern gelegenen Bauernhof, an.
Unsere Gastgeberin ist klasse und passt absolut in die Gegend. Wir stellen uns vor, dass es hier im Winter unglaublich rauh sein muss - die Dame ist es ebenfalls, rauh, robust, aber trotzdem wirklich herzlich und - direkt! So erklärt sie uns für vollkommen verrückt bzgl Tragen der Rucksäcke und ihr unumwundener Kommentar ist: ihr könnt nur Holländer oder Deutsche sein, nur die sind so dumm...
Nun, sie erklärt uns, dass der nächste Tag der härteste der ganzen Tour sei und empfiehlt unbedingt den Gepäckdienst. Sie überzeugt uns und es ist dieses der einzige Tag, an dem wir dann tatsächlich den Shuttle anrufen und den Bringdienst für den nächsten Tag beauftragen.

Schafweide historisches Mauerstück Mauer und Baum

Von Humshaugh nach Twice Brewed

Ausblick

Nach kräftigem Frühstück machen wir uns an diesem Tag also ohne Gepäck auf den Weg bzw. nur mit "kleinem Gepäck": Fotosachen, Regenzeug, Lunchpack und Getränken.
Zwar nicht unbedingt nötig, aber doch ganz angenehm ist es, einmal eine Strecke ohne Rucksack zu laufen.
Wir sind noch nicht sehr lange unterwegs, da fängt es wieder an zu regnen. Es ist ein Regen, wie wir ihn jedes Mal auf dieser Tour haben: kein Platzregen, kein Gewitter oder kräftiger Dauerregen, sondern einfach so ein beständiger, warmer, leichter Regen. Reicht natürlich vollkommen, um einen völlig zu durchnässen, wenn man keine passende Kleidung hat...
Der ganze Tag wird sich als Wechselspiel zwischen diesem Regen und trockenen Abschnitten darstellen.
Dieser Tag stellt sich unabhängig vom Wetter dann auf jeden Fall als einer der schönsten bezüglich der Strecke dar. Eine unglaublich schöne Landschaft erwartet uns und heute auch einige kräftige Steigungen. Wir fühlen uns absolut in die Highlands versetzt und im Prinzip ist es ja auch praktisch so, da wir uns direkt an der Grenze zu diesen befinden.
Von den Höhenzügen aus gibt es spitzen Panoramablicke und grosse erhaltene Abschnitte der Mauer tragen zum imposanten Bild bei.
Wir kreuzen auch den Pennine Way und schauen ihm wehmütig hinterher - schon hier beschliessen wir, dass wir diesen unbedingt auch einmal gehen wollen.
Zu Recht besteht die Bitte, den ausgetretenen sichtbaren Pfaden zu folgen: es gibt hier jede Menge Pflanzen, die, zum Teil selten, nicht zertreten werden sollten und es wäre schade, wenn die wilde, ursprüngliche Atmosphäre zerstört würde.
Von einer Anhöhe schauen wir auf den Bromlee Lough, einen im Tal gelegenen See und die atemberaubende Umgebung ringsum; wir können uns gar nicht satt sehen an den wunderschönen Eindrücken. Der Weg führt im Prinzip komplett über die Höhenzüge, so dass es eine Vielzahl von starken Steigungen zu meistern gilt. Wir passieren viele Schafweiden und es geht ein ständiger Wind - es entsteht ein wunderbares Gefühl von Freiheit und Grenzenlosigkeit...
Noch einmal bietet die Landschaft um den Cragh Lough alle Schönheit auf, bevor wir die Höhe verlassen, um zu unserer Unterkunft in Twice Brewed zu gelangen.
Hier erwartet uns ein sehr schönes Zimmer mit edlen Wellnessprodukten im Bad. Durch diese noch einmal die Sinne an diesem Tag wohltuend angesprochen, beenden wir den Tag richtig zufrieden und gut gelaunt.

Wanderstück Höhenzug Blick auf See Steigungen Wanderweg

Von Twice Brewed nach Lanercost


Hügellandschaft

Bevor wir am nächsten Tag zu unserer Tour aufbrechen, gibt es noch ein ausführliches Gespräch mit unserer Gastgeberin. Sie interessiert sich sehr für unsere Wanderung und in erster Linie möchte sie auch ein paar Dinge von uns erfahren, da sie selbst im Herbst beabsichtigt, zu einer Tour in Deutschland aufzubrechen.
Ganz stolz präsentiert sie uns auch ihre dafür angeeigneten Deutschkenntnisse.
Wir "klettern" wieder auf die Anhöhe und machen heute als einzigem Tag Bekanntschaft mit einigen Black Flies. Die Biester sind winzig klein, aber beissen (oder stechen?) ganz widerlich. Es juckt danach deutlich länger und heftiger als bei Mückenstichen...Zum Glück soll dieses wirklich unsere einzige Begegnung mit diesen Tieren bleiben.
Landschaftlich versucht die Gegend die Eindrücke des Vortages zu übertreffen - wieder ist es eine herrliche Etappe. Heute erreichen wir den höchsten Punkt der Wanderung, von dem aus es selbstverständlich einen grandiosen Rundblick gibt.
Unsere Tour am heutigen Tag ist recht lang, dennoch gehen wir davon aus, sie in gewöhnlicher Zeit zu schaffen. Vertan - wir halten uns offenbar soviel mit schönen Ausblicken, fotografieren usw. auf, dass wir ein ganzes Stück vor unserer Unterkunft dort anrufen, um Bescheid zu geben, dass wir später kommen.
Später ist uns dieses ein wenig unangenehm, da unsere Gastgebern sehr viel Wert auf die persönliche Begrüssung legen und aufgrund einer Abendveranstaltung hier ein wenig unter Zeitdruck geraten. Sie begrüssen uns aber trotzdem ganz fröhlich mit den Worten: Sicher ist dieses in ihrem Leben das einzige Mal, an dem sie von Gastgebern in Abendgarderobe empfangen werden....
Die Unterkunft ist die außergewöhnlichste und schönste, die ich je erlebt habe. Auch wenn ich so gar nicht der Typ für goldene Wasserhähne, schwere Vorhänge usw.bin, so beeindruckt mich die hier absolut stimmige Atmosphäre ganz deutlich. Der Abend gestaltet sich als Erholung pur.
Frühstück am nächsten Morgen findet in der Küche der Familie statt und in lustig ausgelassener Stimmung. Der Gastgeber fährt uns nach dem Packen zurück zum Wanderweg, so dass wir das Stück dorthin nicht laufen müssen.
Wir stellen hier wie auch auf der ganzen Wanderung fest, dass wir absolutes Glück mit allen Bekanntschaften haben - wirklich ohne Ausnahme machen wir nur positive Erfahrungen mit den Gastgebern sowie auch mit allen anderen Personen, mit denen wir zu tun haben.

See historische Mauer Ruinenreste

Von Lanercost nach Carlisle


Wiesenpfad

Die Wanderung am heutigen Tag gestaltet sich moderater. Die Strecke ist immer noch schön, aber die atemberaubende Wildnis lassen wir nun ein wenig hinter uns.
Langweilig wird es dennoch nicht - wir passieren nun hier und da ein wenig waldigere Abschnitte und eine Reihe von Rinderwiesen, die hier und da spannende Momente liefern, wenn die Tiere doch einfach exakt auf unserem Weg liegen oder stehen...
Ein Highlight des heutigen Tages ist der River Eden. Wir befinden uns teilweise in Naturschutzgelände und können einige interessante Vögel sowie Sandhöhlennester am Seitenstreifen des Flusses beobachten. Das Wetter ist prima und wir machen eine schöne Pause am Rand des "Vogelparadieses".
Die heutige Strecke ist recht lang und tatsächlich tun uns an diesem Tag kurz vor Carlisle die Füsse weh, vielleicht auch durch mehr Pflasterstrecken am heutigen Tag. Die Ankunft in Carlisle beginnt mit einem Weg durch einen Public Park und - das kann doch nicht wahr sein - auch hier befinden sich wieder Rinder auf dem Gelände...
Am späten Nachmittag treffen wir in unserer Unterkunft an, die sich in direkter Nähe zum Stadtzentrum befindet und in der wir nun zwei Nächte verbringen werden.
Unsere Gastgeberin ist sehr nett, muss sich aber offenbar selbst erst wieder einfinden, nachdem sie gerade von einer Kreuzfahrt wieder gekommen ist.
Am heutigen Abend suchen wir das einzige Mal auf der ganzen Wanderung einen Imbiss auf und beschliessen, doch einmal mit Fast-Food Vorlieb zu nehmen - wir bestellen jeder einen Hamburger und Chips (hier Pommes...), nicht ahnend, was da auf uns zukommt...Nach dem Burger sind wir beide satt und eine Portion Pommes hätte gereicht, um eine Familie zu versorgen...

Raststelle Cottage Garden Sandschwalbennester

Ein Tag in Carlisle


Burg Carlisle

Dieser Tag ist komplett der Erkundung von Carlisle gewidmet. Da während einer Wanderung nicht so viel Zeit bleibt für Besichtigungen, hatten wir im Vorfeld beschlossen, hier einfach einen "Kulturtag" einzulegen.
Gesagt - getan - in Carlisle nutzen wir den Tag, um zum einen mal in den vielen Geschäften zu schauen, was es hier so alles zu kaufen gibt. Das Ergebnis ist denke ich klar: in Einkaufsmaschinerien der ganzen Welt, also auch hier, gibt es ein schier unglaubliches Angebot lauter Dinge, von denen die meisten doch keiner wirklich braucht...
Wirklich positiv finde allerdings, dass in den regulären Geschäften eine Vielzahl von Medikamenten frei käuflich ist, so wie Kopfschmerztabletten, Durchfallmittel und ähnliches (ja, ja, ich weiß: die Verantwortlichkeit für gewissenhafte Nutzung usw, die hierzulande weiter bestimmt, dass nur Apotheken sie führen dürfen...hält in meinen Augen Leute nicht von Tablettensucht ab und ärgert mich, der ich nur äußerst selten zu Medikamenten greife, absolut).

Wir besichtigen ausserdem am Vormittag die schöne Kathedrale und am Nachmittag die legendäre Burg. Zudem erkundigen wir uns am Bahnhof schon mal nach unserer Rückfahrt für den letzten Tag.
Es ist den ganzen Tag angenehm von den Temperaturen und trocken, so dass wir für unsere Besichtigungen nur den Fotoapparat brauchen und sonst nichts mit rumtragen müssen. Mit vielen schönen Eindrücken beenden wir den heutigen Tag einfach mit ein paar Sandwiches.

Carlisle Kathedrale Bild 1 Carlisle Kathedrale Bild 2 Carlisle Kathedrale Bild 3 Schloss Carlisle Innenraum

Von Carlisle nach Bowness-on-Solway


Parkanlage Carlisle

Der letzte Wandertag.
Eine ganze Weile begleitet uns der River Eden auf unserer Wanderung. Es ist die erste Zeit eine wunderschöne Strecke mit zum Glück vielen schattigen Abschnitten. Das können wir gut brauchen, da sich heute ein heisser Tag anbahnt.
Kurz hinter Carlisle treffen wir einen Herrn, der uns anspricht und es stellt sich heraus, dass er begeisterter Wanderer und Autor von Wanderbüchern ist. Er spricht Deutsch und Englisch und freut sich daher, sich deutsch mit uns unterhalten zu können. Er erzählt uns, dass er gerade ein Buch über Wandern in Griechenland schreibe. Nach Austausch einiger Erfahrungen verabschieden wir uns, in Gedanken versunken darüber, wie interessant es ist, dass man auf Wanderungen zwar wirklich nicht viele, aber meist interessante Leute trifft.
Ein langes Stück vor Bowness führt die Wanderung durch Marschland - in unserem Reiseführer und auch in Carlisle lasen wir, dass es wichtig sei, auf die Flut zu achten, da zu Zeiten dieser Weg durch Hochwasser unpassierbar sei. Irgendwie klappt es allerdings nicht richtig mit dem Herausfinden der betroffenen Zeiten, so dass wir es diesbezüglich einfach darauf ankommen lassen...
Die Entscheidung ist ok; als wir am Startpunkt für die Hochwasserstrecke ankommen, ist von Wasser weit und breit nichts zu sehen bzw. die Ausläufer des River Eden und damit den Beginn des Meeresbereichs sehen wir weit rechts vom Weg. Die Strasse ist vollkommen trocken; am Rand der Straße führt zudem auf einem Wall ein Fußweg entlang und ich gehe eigentlich davon aus, dass dieser hoch genug gelegen sein müsste, um auch bei zu hoher Flut zumindest als Fußgänger durchzukommen.
Wie man sich dann allerdings mit den hier in Massen rumlaufenden Rindern einig wird, wer das Vorrecht auf den Weg hat, weiß ich auch nicht...
Unser größeres Problem an dieser Stelle ist die Hitze: es ist an die 30 Grad warm und wir müssen eine lange Strecke über offenes Gelände. Dieses ist der einzige Tag der ganzen Wanderung, an dem wir doch tatsächlich in die Situation geraten, nicht genügend zu Trinken dabei zu haben.
Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sehr sich der Flüssigkeitsbedarf ändert, sobald es etwas wärmer ist...als wir am Nachmittag in Bowness-on-Solway ankommen, kann die örtliche Gaststätte sich also über einen grossen Umsatz durch uns freuen...Natürlich müssen wir erst die offizielle "Ziellinie" durchschreiten...
Wir suchen unsere sehr schöne Abschlussunterkunft auf und schauen uns danach nochmal ganz in Ruhe den Start-/Endpunkt des Hadrian-Wall-Path an, der hübsch angelegt ist mit schönem Blick auf das Meer.
Der Abend klingt in der Gaststätte mit englischem Bier aus (ja, genau das ohne Schaumkrone).
Wir freuen uns über die toll verlaufene Wanderung und sind natürlich auch ein wenig traurig, dass unser Urlaub nun zuende geht.
Es bleibt nur zu sagen: empfehlenswert! Und wir haben "Lust auf Mehr" bekommen und werden den Pennine Way in Angriff nehmen, sobald uns dieses möglich ist...

Marschland nach Bowness Endpunkt Wanderung Hadrian Wall Blick auf Meer